Okay, ich oute mich dann mal: Ich liebe Sam Raimis Spider-Man-Trilogie. Und ja, selbst den oft und viel gescholtenen dritten Teil. Dementsprechend hätte ich auch lieber eine weitere Fortsetzung als einen Neubeginn gesehen. Zumindest galt dies bis Mittwoch. Heute ich bin froh über den Neuanfang. Um die Spannung gleich zu Beginn dieser Review zu nehmen: Sam Raimis Spidey ist (und bleibt) klasse. Marc Webbs Spidey jedoch ist grandios!
Worum geht’s
Nach einem Einbruch im Arbeitszimmer seines Vaters wird Peter Parker (Andrew Garfield) als Kind von seinen Eltern bei seinem Onkel Ben (Martin Sheen) und seiner Tante May (Sally Field) zurückgelassen. Kurze Zeit später sterben beide Elternteile einen tragischen Unfalltod. Jahre später entdeckt Peter in einer alten Tasche seine Vaters wissenschaftliche Aufzeichnungen. Diese führen ihn zu Dr. Connors (Rhys Ifans), einem ehemaligen Kollegen seines Vaters, der seit Jahren an artübergreifender Genetik arbeitet. Beim Besuch des Labors wird Peter von einer Spinne gebissen und entwickelt in den darauffolgenden Stunden außerordentliche Fähigkeiten. Fähigkeiten, die Peter dringend benötigt, da die Forschungen von Dr. Connors schon bald außer Kontrolle geraten …
Meine Meinung
Spider-Man ist zurück! Und er ist besser denn je! Auch wenn die Geschichte prinzipiell bekannt ist, bietet “The Amazing Spider-Man” neben einem neuen Schurken zahlreiche neue Ansätze – und eine wesentlich ernstere bzw. düstere Atmosphäre, die sich deutlich von Sam Raimis Comic-Verfilmungen unterscheidet. So schwebt zum Beispiel der mysteriöse Tod von Peters Eltern den gesamten Film lang wie eine düstere Wolke über den Figuren und lässt viel Raum für Spekulationen und eine (oder besser noch mehrere) Fortsetzung(en).
Das Hauptaugenmerk von “The Amazing Spider-Man” liegt eindeutig auf den Figuren und deren Entwicklung. Dementsprechend steht und fällt der Film mit seinen Darstellern – und hier hat Marc Webb mit Andrew Garfield und Emma Stone alles richtig gemacht. Andrew Garfields Darstellung wirkt wie eine reifere Version von Tobey Maguires Peter Parker. Ein Außenseiter, aber kein Loser. Verletzlich, aber nicht weinerlich. Die Sympathien sind Andrew Garfield stets sicher. Dasselbe gilt für Emma Stone als Gwen Stacy, die im Gegensatz zu Kirsten Dunsts Mary Jane Watson nicht nur schreien und zicken, sondern auch aktiv ins Geschehen eingreifen und Peter tatkräftig unterstützen darf.
Lediglich bei den Nebenrollen zieht Webbs Version trotz bekannter Namen wie Martin Sheen, Sally Field, Denis Leary, Rhys Ifans und C. Thomas Howell den Kürzeren: J.K. Simmons als Herausgeber J. Jonah Jameson bleibt einfach unerreicht.
Trotz der Ausrichtung auf die Charaktere kommt selbstverständlich auch die Action nicht zu kurz. Und auch diese kann rundum als gelungen bezeichnet werden. Trotz schneller Schnitte und imposanter Kameraschwenks bleibt das Geschehen stets übersichtlich, was ich gar nicht hoch genug bewerten kann. Die Effekte wirken größtenteils äußerst natürlich und beweisen eindrucksvoll, wie sehr sich die Traumfabrik in den letzten 10 Jahren weiterentwickelt hat.
Wenn es etwas zu bemängeln gibt, dann die etwas zu CGI-lastig geratene Echse. Diese ist zwar durchaus toll animiert (und ehrlich gesagt wüsste ich auch nicht, wie man sie hätte besser darstellen können), wirkt aber dennoch einen Tick zu künstlich. Und dann wäre da noch Peters Einbruch in den Sicherheitsbereich des Labors, der mir ein wenig zu einfach geraten ist. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Auf sehr hohem Niveau …
Mein Fazit
Wie 2002 “Spider-Man” ist auch “The Amazing Spider-Man” lediglich die Geburtsstunde eines Helden – eine Geburtsstunde, die viel mehr Potenzial in sich trägt, als ich je zu hoffen vermocht habe. Marc Webb, Andrew Garfield und Emma Stone haben es tatsächlich geschafft, Sam Raimis ersten Teil zu übertreffen. Ich bin gespannt, ob die bereits angekündigte Fortsetzung das hohe Niveau halten kann. Bis dahin gebe ich jedem auch nur ansatzweise interessierten Kinogänger den Tipp: Lasst euch “The Amazing Spider-Man” nicht entgehen! Ach, und noch ein Tipp: Bleibt beim Abspann ruhig ein paar Sekunden sitzen. Es lohnt sich …
Meine Wertung: 9/10
Ein wunderbares Detail, das den Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Peter Parker deutlich macht: die Brille. Der alte Peter Parker braucht eine Brille und wird durch den Spinnenbiss zum Adlerauge. Der neue Peter Parker trägt Kontaktlinsen und wird freiwillig zum Brillenträger als er die Brille seines Vaters findet … (Mehr bei uns im Podcast http://schoener-denken.de/blog/index.php/the-amazing-spider-man-filmkritik/)