Dienstag. 21:15 Uhr. Kopfschmerzen.
Für die meisten Menschen wäre dies ein Grund ins Bett zu gehen. Für mich jedoch war es ein Grund, sich zum ersten Mal „Das Model und der Freak“ anzuschauen. Wenn ich schon die durch solche Sendungen oft verursachten Kopfschmerzen habe, kann ich sie ja auch gleich sinnvoll nutzen…
„Das Model und der Freak“ stellt eine weitere Doku-Soap des Qualitätssenders ProSieben dar. Die Zutaten sind ganz einfach: Man nehme zwei weibliche Models, die aufgrund einer nicht zu erklärenden Selbstüberschätzung davon überzeugt sind, neben einem hübschen Lächeln auch noch andere positive Fähigkeiten aufzuweisen. Diesen stelle man zwei verkorkste Loser (eigentlich sympathische Individualisten) zur Seite, an denen die Models ihren Gottkomplex ausleben und neue, bessere Menschen erschaffen können. Dass solch eine Schöpfung nicht ganz einfach ist, sollte jedem klar sein: Immerhin hat selbst Gott mehrere Tage benötigt – und der hat gerade mal die Erde und nicht den perfekten Menschen erschaffen. So sind trotz der geballten Macht unserer beiden Über-Models mehrere Schritte notwendig, um die Freaks in wahre Frauenträume zu verwandeln.
Schritt 1 – Das Kennenlernen
Während sich unsere beiden Models auf einer Couch räkeln, als würden sie glauben, gerade einen Regisseur von sich überzeugen zu müssen, werden nacheinander die beiden männlichen Tonfiguren hereingeführt. Dank ihrer Fähigkeit, in Sekundenschnelle auch die verwinkelsten Gänge der Seele zu erkunden, können unsere beiden Model-Psychologinnen die jeweiligen Probleme ihrer Haustiere auf Anhieb erkennen und unverzüglich entsprechende Maßnahmen einleiten. Was hätte bloß aus Sigmund Freud werden können, hätte er damals solch eine Unterstützung erhalten.
Schritt 2 – Die Selbst-/Fremdeinschätzung
Von beiden Freaks werden in locker-ungestellter Atmosphäre Videos aufgenommen. Nach völlig falscher Selbsteinschätzung der beiden geistigen Pubertätsverweigerer werden diese Videos dritten Personen gezeigt, welche dann in der für ProSieben bekannten feinfühligen Art wiederum ihre Meinung kundtun dürfen. Da man, um etwas Neues zu beginnen, mit dem Alten abschließen muss, wird das nach dieser Aktion noch übrig gebliebene Selbstbewusstsein vernichtet, indem junge Frauen gefragt werden, ob sie mit den beiden Herren gerne ausgehen würden. Wichtig hierbei ist, auf jeden Fall solche Frauen auszuwählen, die offensichtlich nicht zur Zielgruppe gehören (so wie man auch einen Vegetarier fragt, ob er gerne Schweineschnitzel isst).
Schritt 3 – Das Auftreten
Ja, die richtige Körperhaltung will gelernt sein. Und da die beiden freakigen Bewegungslegastheniker selbst dazu zu blöde sind, zeigen ihnen unsere beiden selbsternannten Männerträume, wie Mann sich zu bewegen hat, will er einen positiven Eindruck bei den Ladies hinterlassen. An dieser Stelle muss ich unsere Models jedoch in Schutz nehmen: Wer wüsste besser, wie sich ein männlicher Verführer zu bewegen hat, als jemand, der schon unzählige Male durch solch einen Blender in die Begattungsstarre versetzt wurde?
Schritt 4 – Das Selbstbewusstsein
Was viele bereits geahnt haben, wird durch „Das Model und der Freak“ wissenschaftlich belegt: Selbstbewusstsein erhält man nicht, indem man mit sich selbst im Reinen ist. Nein, dazu bedarf es einer männlichen Aktion. Eine Aktion, so mutig, so waghalsig, so außergewöhnlich, dass man sich jederzeit an sie erinnern und zu sich selbst sagen kann „damals gehörte mir dieser Moment, morgen die ganze Welt“. Ihr ahnt es sicher schon: Um Selbstbewusstsein zu erlangen, benötigt man einen Bungee-Sprung. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Es gehört wahrlich eine Menge Mut und Männlichkeit dazu, sich auf eine Plattform zu stellen, die Augen zu schließen und sich von dem Betreuer schubsen zu lassen.
Schritt 5 – Die optische Anpassung
Nachdem unsere beiden Alleskönner-Models die Seelen ihrer Untergebenen vor dem Teufel, auch Charakter genannt, gerettet haben, darf natürlich eine Anpassung der Optik nicht fehlen. Lange Haare? Drei-Tage-Bart? Schwarze Metal-Shirts? Also bitte: Das ist doch schon seit mindestens zwei Wochen out. Und da ein eigener Stil sogar schon wesentlich länger nicht mehr gefragt ist, wird ab sofort eine gegelte Kurzhaarfrisur und die komplette Sommerkollektion des örtlichen H&M-Marktes getragen. Jedenfalls bis zur Veröffentlichung der Herbstkollektion.
Und geschafft: Die Model-Herrenrasse hat zwei neue Mitglieder. Diese sehen jetzt zwar aus, als wären sie dem Klonlabor eines blinden Modedesigners entsprungen, aber hier geht es ja nicht um Individualität, sondern darum, sich den Menschen ohne eigene Meinung bestmöglich anzupassen.
Dienstag. 22:15 Uhr. Hirntot. Keine Kopfschmerzen mehr. Danke ProSieben.
*juuuhuuuu* endlich hat es mal jemand adäquat Ausdrück. Klasse ! *schmunzel*
*rofl* sehr genial geschrieben! Ich habe mir damals die ERSTE Folge angeschaut – einmal und nie wieder!!! Danke für die ’schöne‘ Erinnerung an damals und dem Wissen von heute, dass sich nichts… aber auch wirklich rein gar nichts daran geändert hat.
„Ausgedrückt“ meine ich, sorry war so euphorisiert das ich mal wieder die Wechstaben verbuchselt hab. Ist echt klasse geschrieben 🙂
@Just4Fun Gern geschehen! 🙂
@mompl Bei so viel Euphorie bin ich ja glatt geneigt, mich künftig öfter über schlechte Sendeformate auszulassen… 😉
Ich kenne die Sendung gar nicht, habe jetzt aber so richtig Lust bekommen, sie mir anzusehen. *bg*
Du stehst wirklich auf Qualen, oder? 😉
HI,
ich weiß nicht was ihr wollt, die die dort auftreten sind ja wohl jenseits von gut und böse.
Alle sahen nachher besser aus.
Aber wennn ihr auch zu der Gattung gehört, die immer noch die gleichen Klamotten aus den 80ern von Mutti tragen, dann bitte schön.
Die Frage lautet doch: Wer entscheidet, was „gut“ und was „schlecht“ aussieht?
Ich glaube ja, Pac ist eines der beiden wunderschönen Models.
btw: Schöner Beitrag 🙂
Hmm, wenn Pac wirklich eines der Models ist, dürfte mein Hinweis darauf, dass ich noch zu haben bin, nicht mehr fruchten, oder?
Btw.: Danke! 🙂